Angesichts der überraschend großen Resonanz die mein eröffnetes "Feuilleton" mit sich bringt, erlaube ich mir noch einen "raus zu hauen". Das soll dann auch das Kapitel meinerseits abrunden. Auch wenn es nicht so aussieht: Ich gebe mir Mühe die Anekdoten nicht ausufern zu lassen. Aber manche Dinge brauchen eben mehr Worte um lebendig zu werden. Seht es mir nach ......
Von Willkür, einem versemmelten Rendezvous und dem Ende östlicher Mobilität
Wieder bescherte mir dir Zufall neue Abenteuer. Zufällig kam ich in die Situation einen Wartburg 311 kaufen zu können. Das war schon ostdeutsche Mitteklasse! Ein wunderschönes Auto mit 4 Türen und jeder Menge Platz. 45 PS wurden ihm nachgesagt. Aber auch er war bereits in meinem damaligen Alter und entsprechend oft gebrechlich. Irgendwelche Ersatzteile zu bekommen war enorm schwierig.
Deshalb, vor allem aber weil ich mittlerweile selbständig war und ein zuverlässiges Auto für meinen Job brauchte, entschied ich mich so lange er noch fuhr, ihn wieder zu verkaufen.
Hatte mir in den Kopf gesetzt einen „zeitgemäßen“ Trabant 601 zu besorgen. Ganz gleich wie schwer oder teuer dies auch war. Hatte dann auch Glück und griff sogar einen „De Luxe“ ab … Der hatte auch ein Radio. Auf der Heimfahrt vom Verkäufer schaltete ich das Ding ein. Tat sich aber nichts. Nach 5 Minuten brach aber in den Lautsprechern die Hölle los. Das Ding hatte noch Röhren und brauchte halt seine Zeit.
Auch dieser Trabbi war schon sehr betagt und hatte auch keine 26 PS. Es war die Vorgängergeneration mit 23 PS und den entsprechenden 18`er Kerzen. Zwar lief er sehr stabil neigte aber dazu, die Lichtmaschine immer mal abzuwerfen und außerdem pflegte er schon (in den späten 80´gern!) das Prinzip der Zylinderabschaltung.
Meist waren defekte Zündkerzen daran schuld. Die Alten 18`er gab es halt, wenn überhaupt, nur „regeneriert/generalüberholt“. Die Trefferquote beim Kauf lag bei 1:4 … Wenn man also 2 brauchte musste man 10 kaufen. Klingt vielleicht nach hamstern, war aber nötig. Und wie lange die dann funktionierten war auch ungewiss. Es war also mehr als ratsam immer genügend Reserve an Bord zu haben.
Einmal musste ich zu einem Gigg. (früher Mugge) Hatte mein ganzes Gerätze in das Auto gestopft und fuhr los, in die große Stadt. Weil es halt öfter vorkam, dass er nur „auf einem Topf“ lief, hatte ich im Fußraum einen „Lehrlaufstein“ platziert. Sollte dann mal ein Zylinder aussetzen und ich musste beispielsweise nur kurz das Auto verlassen um etwas abzugeben oder zu holen, legte ich den „Lehrlaufstein“ aufs Gaspedal --- dass er mir bloß nicht ausging. Denn Starten war im halbierten Powermodus sehr schwierig und die Batterie sehr schnell down. Das galt aber nur für Notfälle. In der Regel wechselte ich die Kerzen (wenn vorhanden).
An besagtem Tage nun fuhr ich in die große Stadt. Ich war schon fast da, als plötzlich die „Zylinderabschaltung“ wieder griff. Das Stückchen schaffte ich aber auch auf einem Topf. Hätte ich auch, wäre ich nicht in eine Verkehrskontrolle geraten.
Mehrere Polizisten standen an einer gut befahrenen Kreuzung und einer winkte mich rechts raus. Trat an das Auto heran, salutierte: Wachtmeister So und so … Allgemeine Verkehrskontrolle. Bitte mal Motor abstellen, aussteigen, Fahrerlaubnis und Papiere. Ich nestelte meinen Ziegelstein hervor, legte ihn aufs Gas und stieg aus. Als ich ihm erklärte: „Kann nicht ausmachen, nur ein Topf,…“ lief er rot an und hob die Stimme: „STELLEN SIE DEN MOTOR AB !!!
Obrigkeitshörig, wie die Meisten, tat ich was er hätte verhindern können. Sah sich nun meine Papiere an und schlich skeptisch ums Auto. Da seine Welt nun in Ordnung war gab er mir, fast freundlich, die Papiere zurück und wünschte mir angenehme Weiterfahrt.
Ich konnte nun zwischen zwei Demütigungen wählen. Entweder meinen ganzen Plunder auf offener Straße aus dem Kofferraum holen um an die Ersatzkerzen zu kommen oder eben die russische Lösung zu favorisieren. Zwar habe ich den Anlasser probiert aber bei den geringen Umdrehungen war nichts zu holen. Also schieben.
Eher hätte ich mir in den Allerwertesten gebissen als „Den Freund und Helfer“ um Hilfe zu bitten. Die Straße war leicht abschüssig und ich schob alleine. Sprang dann rein, knallte erst den 2. dann den 1. rein und mein „Eintöpfer“ humpelte wieder dahin. Alles unter den Augen einer zusehenden Schutzmacht. Sicherlich ein Einzelfall. Für mich eine Demütigung sondersgleichen.
Zum Ausgleich hatte ich eine schöne Mugge bei der sogar eine Verabredung für den nächsten Nachmittag heraussprang. Nach kurzer Nacht wusch ich dann den „Wagen“ dass er auch wie „De Luxe“ aussah. Kerzen waren schon am Vorabend gewechselt und ausreichend Reserven an Bord. Holte das Mädel ab zum Sonntagsausflug und fuhr natürlich wieder in die große Stadt.
Dort, Mitten in der Stadt in einem mehrspurigen Kreisverkehr den auch die Straßenbahn kreuzte, mitten in diesem Kreisverkehr warf mein „De Luxe“ die Lichtmaschine ab.
Das machte er öfters weil die 8´er Schrauben der Halteschiene immer den Vibrationen nachgaben. Aber warum hier und warum ausgerechnet heute? Mit einem brachialen Geräusch vom Bodenblech kommend eingeleitet, wusste ich sofort was geschehen war. Sah sie noch übers Kopfsteinpflaster hoppeln und zwischen den Gleisen zum liegen kommen.
Bin dann erst mal raus aus dem Kreisel, rechts ran um sie zu holen. Erstaunlicher Weise war sie äußerlich unbeschädigt. Habe mich, unter permanentem Gehupe, der Abwurfstelle genährt und sie wieder aufgesammelt. Zum Glück kam gerade keine Straßenbahn. Geschockt aber doch erleichtert, ob der Wiederverwendbarkeit des essentiellen Objekts, ging ich zurück zum Auto.
Kreideweis saß das Mädel im Auto und wollte nur noch nach Hause. Ich habe ihr versichert die Sache in einer halben Stunde aus der Welt zu schaffen. (Hatte Schrauben und Werkzeug dabei. Sogar Arbeitshandschuhe hatte ich neuerdings an Bord). Aber nein. Sie war bedient und ging zum Zug. Habe nie wieder von ihr gehört. Liebe blieb aus …..
Naja, später dann, als die Mauer bereits gefallen war, zog es viele meiner Freunde in den Westen. Irgendwann kam ich auf die Idee Einen davon zu besuchen. Irgendwo im Hessischen. Auf dem Hinweg wählte ich ganz bewusst nur kleine Landstraßen. Musste dann aber, auf sein Drängen hin, der Logik nachgeben und dem kürzeren Weg den Vorrang geben. Der führte allerdings ein Stück über die Autobahn. Die berühmten Kassler Berge.
Zwar war meine Lichtmaschine mittlerweile so fest an das Motorgehäuse gepinnt, dass es fast unmöglich war sie zu verlieren, aber trotzdem war mir eine Autobahnfahrt nicht Geheuer. Bei 70 Km/h hatte ich den „De Luxe“ unter Kontrolle. Wurde es schneller wurde es blümelant. Fuhr dann auf die Autobahn auf und wäre am liebsten auf dem Standtreifen gefahren. Aber nein, das macht man nicht. Also landete ich zwischen riesigen LKW`s. (Kinotipp: Steven Spielberg –Duell)
Einer nach dem Anderen überholte mich. Einige erschreckten mich mit ihrem Typhon. Bloß wieder runter hier. Zu spät! Vor mir eröffnete sich bereits ein Talkessel. Egal was ich jetzt auch tat: Alles war falsch
So ließ ich das Unvermeidbare geschehen und tat nichts weiter als das Lenkrad fest zu halten. Schon bei 80 Km/h schlug mein Lenkrad merklich aus. Von Gefühl her als würde man einen Presslufthammer halten. Und das lag gewiss nicht an verlorenen Bleigewichten der Felgen. Alles war so ausgeleiert, die Radlager, die Aufhängung, die Achsen … Der Versuch zu bremsen führte dazu die Instabilität noch mehr zu verstärken. Schnell wieder runter von der Bremse sonst wirft er die gesamte Vorderachse ab. Hier wurde mir erstmalig bewusst wie wichtig intakte Bremsbeläge sind. Metall auf Metall gibt ein schreckliches Geräusch.
Es war also nichts zu machen. Versuchen das Lenkrad festzuhalten und die Talsohle betrachten. Die war aber noch so weit entfernt und mein "De Luxe" wurde zur Rüttelplatte.
90 Km/h.
Mein Film der Erinnerung lief gerade an. Mein Dreirad, mein Fahrrad, die Zuckertüte ….
95 Km/h.
Jugendweihe mein erstes Moped …
100 Km/h,
meine Ellenbogen begannen taub zu werden …. Ich war bereit. Das Ende ist da.
Ich war aber in der Talsohle angelangt und lebte noch. Halleluja ….
Wie erlösend es war den Berg dann mit 50 km/h hochzukriechen. Nächste Ausfahrt raus und auf einen Parkplatz. In allen Zwischenräumen der Finger stak eine Zigarette. Ich zog abwechselnd und zitterte noch am ganzen Körper. Nie wieder schneller als 70 !!! Nie wieder Autobahn mit dem „De Luxe“. Diese Nahtoderfahrung braucht kein Mensch.
Kroch dann wieder über Nebenstraßen zurück und war nun bereit diesem selbstfahrenden Schrotthaufen leb wohl zu sagen. Letzte Station: Müllhalde.(siehe Anhang)
Mittlerweile prägten ja bewimpelte Vorgärten und abgesteckte Wiesen das Bild des Ostens. Überall erwuchsen Automärkte aus dem Nichts. Schlich dann auch mit herum und wurde schließlich fündig.
Es wurde ein Audi 80 1.6 Jahrgang 1980.
Eine völlig neue Zeit begann. Freie Werkstätten etablierten sich. Die Autos waren bequem, schnell und hielten was aus. Und wenn nicht, kamen sie in die Werkstatt. Welch ein Fortschritt!
Fuhr dann später, dann schon im Passat, als auch die Straßen schon viel besser waren, die Strecken die ich einst schon mit dem Trabbi fuhr. Und wenn ich so vor mich hin fuhr und nicht aufpasste, zeigte mir mein Tacho immer 70 km/h. So geprägt haben einen die Umstände. Es war in Fleisch und Blut übergegangen.
So, nun will ich meine „Novelle“ beenden und hoffe, ich konnte ein bisschen unterhalten. Vielleicht hat ja der Eine oder Andere auch noch ein Geschichtchen.
All diejenigen die Ähnliches erlebten konnten sich vielleicht erinnern. Und all denen, denen so etwas erspart blieb, sei es geschildert. Auch Probleme sind immer relativ.
Danke fürs Lesen und Liken
Euer
Lupfi
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